Mut zum Platzhalter

Warum machen wir Autor*innen es uns eigentlich manchmal so schwer?

Ich weiß nicht, wie es bei euch ist, aber ich neige dazu, so wenig Hilfsmittel wie möglich zu nutzen und es im Zweifel allein schaffen zu wollen. Dabei lösen sich so viele Knoten, seien sie psychologisch oder auf den Schreibprozess bezogen, doch nach einem Gespräch mit Gleichgesinnten. Auch die therapeutische Strategie, ein Problem gedanklich erst einmal auf ein Regal zu legen und sich später, wenn Energie und Zeit vorhanden sind, wieder vorzunehmen.

 

Klar, kann man das übertreiben, irgendwann haben Freund*innen genug davon immer die gleichen Probleme mit dir zu wälzen und irgendwann ist das Regal nun einmal voll. Aber vor Angst, dass ich meine Vertrauten nerven oder dass das Regal herunterfallen könnte, habe ich lange überhaupt erst nicht damit angefangen.

Mittlerweile habe ich gelernt, Probleme zu teilen, und merke, wie ich immer weiter komme und meistens nach einem intensiven Brainstorming mit din bestnin Freundnin oder meinen Schreibehefrauen zu Lösungen komme. Aber das Regal ... Leute, das meide ich, wie die Katze das Badewasser.
Auch beim Schreiben kämpfe ich lieber wochenlang mit Knoten und Barrikaden, anstatt mir die Freiheit zu nehmen, diese erstmal zu überspringen und verdammt nochmal später in der Geschichte wieder einzusetzen. Wie sagte Phoebe Waller-Bridge? ‚You may not write well every day, but you can always edit a bad page. You can’t edit a blank page.‘
Den letzten Satz fühle ich dermaßen: Du kannst keine leere Seite überarbeiten!

Also habe ich nun einen alten Freund reaktiviert: den Platzhalter. Es hat Mut von meiner Seite erfordert, ihn anzurufen und zu bitten, an ein oder zwei Textstellen einzuspringen. Dabei tut er das wirklich gerne. Stellt euch vor: Seitdem erlebe ich wieder Schreibflow von der geilen Sorte (Kolleg*innen, ihr wisst, was ich meine ❤️) Und die Platzhalter werden übrigens schmaler ... ich habe jetzt schon Ideen, wie ich sie auflöse. Als würde ich, nun da das Gewicht das Problem auf dem Regal ruht, wieder Kraft haben. Eigenartig oder? Dass therapeutische Lösungsansätze tatsächlich helfen ...