Männer, die uns Angst machen

Ich habe mich kürzlich mit einer meiner besten Freundinnen um Politik, genauer Flüchtlingspolitik gestritten. In Momenten wie diesen, wenn mich die Wut überkommt, wird mein Kopf übervoll, und die Argumente fallen mir alle gleichzeitig ein, sodass ich gar nicht schnell genug hinterherkomme. Es ging um ein furchtbar rechtes Bild, dem sie anheimgefallen war, also wurde ich natürlich emotional und hatte echt Probleme mich auszudrücken. Wir hatten es dann doch noch irgendwie hinbekommen, das Gespräch im Guten zu verlassen, ich hatte ihr ein paar Dinge und Zusammenhänge erklären können. Einiges war ihr offenbar völlig neu gewesen, denn sie ist eigentlich klug, und hätte das Muster durchschauen können.

Der Streit beschäftigte mich drei weitere Tage, sodass ich entschied, alles was ich ihr hätte erzählen wollen, in einen Text zu fließen lassen. Das hilft mir buchstäblich, meine Gedanken zu ordnen. Eigentlich ist dieser Text nur für sie. Aber  vielleicht will ja die eine oder der andere von euch beim nächsten Mal darauf zurückgreifen.

Ich werde sehr schnell wütend, sobald ich rassistische Glaubenssätze höre. Fallen meine engsten Freund*innen darauf herein, fühle ich mich fast schon verraten. Wenn ihr Argument gelautet hätte, »meine Kollegin hat Angst davor, dass Männer ihren Töchtern etwas antun«, wäre das eine nachvollziehbare Stellungnahme. Aber zu behaupten, sie könne die Angst speziell vor geflüchteten Männern aus Syrien nachvollziehen, weil die ja bekanntermaßen respektlos gegenüber westlichen Frauen seien, finde ich kurz- und absolut rassistisch gedacht.

Dass Gewalt gegen Frauen ein importiertes Problem sei, ist wohl der faulste Mythos überhaupt!

 

Wir haben den weltweiten Missstand alltäglicher Gewalt gegen Frauen. Femizide sind sowohl in Kriegsgebieten als auch in Deutschland tägliche Realität.

Jeden Tag versuchen etwa fünf deutsche Männer ihre (Ex-)Partnerin umzubringen. Jeden zweiten Tag gelingt es einem.

 

Deutsche Männer belästigen, vergewaltigen, bedrohen und schlagen Frauen in Deutschland, zumeist jene, diejenigen die mit ihnen das Bett teilen oder ihnen anderweitig nahestehen.
Belästigung auf der Straße ist alltäglich, fremde Männer machen unflätige Bemerkungen, fotografieren Frauen unter den Rock, werden körperlich übergriffig. Die Pornoindustrie, die weibliche Darstellende entmenschlicht oder sogenannte Pick-up-Artist Kurse, in denen Männer lernen, wie sie Frauen psychologisch irreführen und so sexuell ausbeuten können, florieren. In Film, Fernsehen und Zeitungen stellen toxische Maskulinität, Eifersucht und Stalking als normal, gar romantisch dargestellt. Die Liste geht immer weiter.

Weltweit und seit Jahrtausenden ertragen Frauen diesen Missstand. Es ist in unseren Genen, wir teilen das kollektive Trauma, wir empfinden Angst vor der Gewalt die Männer uns antun, noch bevor wir je in Berührung damit kommen.
Also erzählt mir nicht, die Gewalt, die eventuell von syrischen Männern ausgeht, sei schlimmer als die, die von deutschen Männer ausgeht! Nicht Ausländer belästigen Frauen, Arschlöcher belästigen Frauen! 

Das rassistische Argument der importierten Gewalt, dass so weit geht, dass (in diesem Fall) alle syrischen Männer ausgesperrt werden sollten, weil Gewalttäter unter ihnen sind, beinhaltete, dass wir uns auch jene entgehen lassen, die sich dazu entschieden haben, anständige Menschen zu sein.


Männliches arschiges Verhalten wird weltweit nachweislich unterstützt und nur selten juristisch belangt.  Es ist egal, in welcher Kultur du aufwächst: Dass alle Menschen gleichberechtigt sind, Respekt und Unversehrtheit verdienen, ist eine Geisteshaltung, die jede*r lernen kann. Warum sonst sollten Männer, anständig  sein, wenn nicht aus schlichtem Anstandsgefühl und Sinn für Gerechtigkeit?

Es ist nur die Frage, ob man sich dazu entscheidet ein Arschloch zu sein oder nicht.

Würden deutsche Männer Frauen respektvoll behandeln; wäre es normal, dass wir in in Sicherheit lebten, dass Medien und Gesellschaft ein Bild der Gleichberechtigung transportieren, herrschte diese Energie vor und auch Arschlöcher von außerhalb dieser Landesgrnzen würden es nicht wagen, Frauen zu belästigen. Sie würden merken, dass ihr Verhalten scheiße und strafbar ist, dass sie diejenigen wären, die ihre Ehre verlören. Ihnen würde klar, dass sie verfolgt und bestraft würden, wenn sie Gewalt ausüben.

 

Syrische Männer, die Frauen auf der Straße nach Sex fragen, wie meine Freundin als Anekdote anzubringen wusste, haben sich das höchstwahrscheinlich bei deutschen Männern abgeguckt.

Ich wurde auf der Straße von Männern jeder Kultur, Hautfarbe, jeden Alters und Alkoholpegels belästigt. Meine Freundinnen und weiblich aussehende Enbys teilen dieses Schicksal, einige haben weit schlimmeres erlebt. Ich kenne nicht eine Frau, die nie eine Form von Gewalt von einem Mann ertragen hat! Ergo kann mir leider einfach nicht vorstellen, dass die Kollegin meiner Freundin noch nie Gewalt durch deutsche Männer erlebt hat, warum also hat sie speziell vor syrischen Männern Angst?
Das Argument, dass Geflüchtete Gewalt importieren, ist billig und rassistisch, funktioniert die Tage aber sehr gut, um die Massen aufzupeitschen. Dabei reicht es doch, wenn frau eine Minute Revue passieren lässt, wer sie schlecht behandelt. Wer pöbelt uns auf der Straße an? Von wem werden wir im Internet bedroht? Wer betatscht uns im Vorbeigehen? Mit wem führen wir Gaslightning-Beziehungen, wer drängt uns zum Sex, uns deutsche Frauen? 

Gewalt gegen Frauen ist universell und vielfältig, und nur weil Geflüchtete sich vielleicht anders respektlos verhalten, als Menschen, die hier geboren sind, sollen deutsche Männer überhöht und von ihrer Schuld freigesprochen werden? Indem das Bild propagiert wird, dass deutsche Frauen speziell vor geflüchteten Männern Angst haben, passiert nämlich genau das: Die statistisch viel wahrscheinlichere Gewalt, die Frauen hierzulande von deutschen Männern erleben, wird negiert.

 

Wir lösen Gewalt gegen Frauen nicht auf, indem wir nur bestimmte Gruppen dafür verurteilen. Es muss ein ureigenes Verständnis entstehen, die körperliche und seelische Unversehrtheit von Frauen und Mädchen zu gewährleisten. JEDE Gewalttat muss verfolgt und bestraft werden; erst wenn Männer erkennen, dass ihr arschiges Verhalten Nachteile für sie mit sich bringt, werden sie sich ändern. Erst wenn eine Vorbildfunktion greift, werden heranwachsenden Generationen, respektvolles Verhalten gegenüber allen Menschen leben.