Erzähle ich einem Mann, dass ich einen Roman publiziert habe, kommt zu 80% zurück: »Wie viele Seiten hat dein Buch?«
Auch bei der 4. Publikation ist das noch so und wird vermutlich so bleiben. Seit 4 Jahren also frage ich mich, was es damit auf sich hat. Stelle ich jenen Männern (es sind ausschließlich Männer
gewesen) die Frage, warum sie das wissen wollen, wissen sie das nicht. »Fällt mir halt als Erstes ein.«
Ich kleine Grüblerin, der mir das keine Ruhe ließ, hatte mir dann eine eigene Theorie zurechtgelegt. Vielleicht ist das Hirn derer, die als erstes eine Seitenzahl brauchen, so analytisch, dass
sie Zahlen, Nummern und Größenangaben mögen, um die Welt um sich herum zu ordnen. Ihre Frage ist keinesfalls wertend gemeint, sie kaufen Bücher nicht nach der Dicke oder Anzahl der Wörter. Sie
brauchen einfach eine Zahl, um es irgendwie einordnen zu können. Ihnen ist bewusst, dass nur weil ein Buch 200 Seiten hat, das noch lange nicht heißt, dass sie es sofort durchlesen können. Dass
Schrift, und Format unterschiedlich groß sein, dass Illustrationen sich darin befinden könnten oder schwere Wörter. Dass sie die Information, das Buch hat so und so viele Seiten eigentlich keinen
Deut weiterbringt, es einzuschätzen. Es ist einfach nur eine Zahl.
Ich glaube, mit der Einschätzung lag ich nicht so verkehrt und Männern, die ich diese darlegte, fühlten sich damit wohl und meinten: »Joa, könnte sein, dass ich deswegen gefragt habe.«
Soooo ... vor ein paar Tagen entschied sich mein von je her analytisches, älteres Brüderchen dazu, mich anzurufen und mal zu fragen, was so abgeht. Und als ich ihm sagte, dass im Februar mein 3.
Buch kommt und im Sommer das 4. fragte er: »Und wie viele Seiten haben die jeweils?«
Ich lachte getroffen und gegenfragte ihn, warum er das wissen wolle.
Da dachte er nach und entgegnete: »Ich habe die Vorstellung, und als Programmierer ist mir irgendwie bewusst, dass dies vermutlich absurd ist, aber ich stelle mir vor, dass die Seitenzahl in
Relation, dabei weiß ich, dass Recherche, Editing usw. nicht dazugehört, doch dass die Anzahl der Seiten ein Verhältnis zum reinen Arbeitsaufwand des Schreibens aufweisen.«
Ich war baff. Das machte ja sogar Sinn. War man so absolut nicht in der Arbeit, könnte man die Vorstellung haben, Autorinnen setzen sich hin, schreiben hintereinanderweg und irgendwann ist das
Buch fertig. Ich konnte ihm also versichern, dass er richtig vermutete. »Du vermutest richtig! Die Seitenzahl steht absolut nicht in Relation zum Schreibaufwand. Nimm nur meine ‚VEGANE WAFFELN‘:
Das Buch hat in der Printversion 320 Seiten, musste seinerzeit nach dem Erstentwurf zweimal hart umgeschrieben und dann gekürzt und schließlich nochmal umgeschrieben werden, ehe es überhaupt erst
ins Lektorat ging. Und wie du schon sagst: Recherche, Plotten, Biografien der Charaktere - das und noch viel mehr kommt arbeitstechnisch obendrauf. Also nein, 320 Seiten stehen in keinem
Verhältnis. Kann man vielleicht mal innerhalb eines Jahres runtertippen, also so eine dreiviertel Seite am Tag, aber ich arbeite schon mal nicht so.«
»Ja, das verstehe ich auch.«
Ich bin indes ziemlich begeistert, dass er mir eine neue Sicht auf die Welt eröffnet hat und mir dabei half, eine Sache, die mich echt umgetrieben hat, ruhen zu lassen.
Wenn mich das nächste Mal jeman(n)d nach der Seitenzahl fragt, kann ich sagen: »Die Reinschrift und inklusive aller gelöschter Zeichen etwa 1200, in die Printversion kommen dann 320
Seiten!«
Die werden gucken! ^^