Paris. Ich war im letzten Leben eine graue Katze und lebte in Paris. Meine Straße war eng, gepflastert mit rutschigen Wackersteinen. Auch an ihnen gingen die Zeichen der Zeit nicht vorbei. Die Häuschen der Menschen waren klein und dicht an dicht gebaut. Meine Augen sind gelb.
Ich bin ein Streuner. Habe einige Familien, zu denen ich gehe, wenn der Wind stark weht oder Schnee fällt. Mein bester Freund ist ein dreibeingier Hund. Er ist ein
Freund, weil er kein Feind ist.
Ich mag Regen, wie die wenigsten Katzen. Regen jagt die Leute hinein. Sie lassen ab und zu Güter fallen, oft was zu essen. Manchmal auch etwas das glitzert. Nach
dem Regen spiegele ich mich in den Pfützen. Ich bin ein schmales wendiges Tier.
Ich mag keine Kinder. Vor allem die in den feinen Kleidern nicht. Sie sind unberechenbar. Streicheln mich falsch. Dann werde ich von ihren Gouvernanten verscheucht,
weil ich mit Krankheiten übersät sei. Frechheit.
Mein Lieblingsmensch war ein feiner alter Mann, aber er lebt nicht mehr hier. Ich fand ihn in einem prächtigen Haus an der Seine. Mit seiner wunderschönen Mätresse.
Sie wollten mich bei sich behalten, mich baden und mir ein Halsband umlegen. Ich erwürgte mich fast lieber, da nahmen sie es schnell wieder ab. Manchmal gehe ich zu ihnen. Doch jedes Mal wird der
Alte kränker. Ich muss bald zu ihnen und an seinem Bett wachen. Danach muss ich nicht mehr kommen.
Oft habe ich Kater. Sie mögen mich, weil ich so schön bin. Einmal war ich tragend, dann geriet ich unter eine Kutsche. Kurz darauf gebar ich. Sie waren alle tot und
mein Becken gebrochen. Meine Kinder wurden von Ratten gefressen. Ich schlief viel in einer Dachrinne in der Zeit. Die Sommersonne wärmte meinen Pelz. Ich wurde wieder schlank und gesund.
Eigentlich humple ich seitdem, aber wie würde das denn aussehen?
Ich jage nachts. Wenn der Mond scheint und die Mäuse hypnotisiert. Ich müsste nicht jagen, aber ich will. Ich fresse keine Mäuse. Ich spiele sie zu Tode. Schaue
ihnen zu, wie sie ausbluten. Das ist ein Fest.
Ich wünsche mir manchmal, ein Mensch zu sein. Eine Frau. Aber dann will ich nicht hier und jetzt leben. Später und woanders. Irgendwo wo es nicht so stinkt.
Menschenfrauen sind schön.
Ich dürste danach, mich von schönen jungen Männern streicheln zu lassen. Ich besuche manchmal einen Künstler. Einen Bildhauer. Er schlägt riesige Skulpturen aus
hellem Stein. Haucht ihnen Leben ein. Meistens sind es Frauen mit wehenden Haaren.
Seine Finger sind rau und lang. Ich liebe seine Hände. Wenn ich auf seinem Schoß ruhe, das Feuer im Ofen neben uns, so wünsche ich mir doch im Hier und Jetzt eine
Menschenfrau zu sein. Und mit ihm nur einmal die Dinge zu tun, bei denen ich ihn oft mit Frauen störe. Diese Sehnsucht schmerzt dann in meiner Brust. Ich verstecke mich und beobachte
sie.
Sobald sie schlafen, verpasse ich der Frau eine Schramme ins Gesicht. Eine dünne, damit sie nicht aufwacht. Und ihm eine weitere in seinen breiten Rücken. Eine
tiefe, damit er mich bemerkt.
Dann lächelt er und schenkt mir süße Sahne. Die Frau schickt er fort. Ich bin die, die immer bleiben darf.
Weil meine gelben Augen leuchten.
Die neue Katze im Katzenmusikcafé "Zur Mieze" sieht genauso aus wie die, über die ich vor 6 Jahren einen Text schrieb. Das brachte mich zu dieser Zeitreise. Was ich seitdem nicht alles gelernt habe ...