Offensichtlich hat es mich erwischt!
Monatelang lebte ich in meiner Blase aus Schöpfung, Lyrik, Weltfremdheit und Fandom munter vor mich hin. Registrierte von außerhalb nur wenig, hatte nur Aufmerksamkeiten für meine engsten Freunde oder manchmal auch für Familienmitglieder übrig.
Doch dann geschah es: Eine männliche Person trat unverhofft in mein Leben! Und der laufe ich gezwungenermaßen mehrmals täglich über den Weg. Wie so oft wurde mir klar, dass etwas mit mir nicht stimmte, als ich unbewusst seine Hände betrachtete. Die waren wirklich sehr hübsch, also schlug mein Handfetisch an. Sofort setzte uns mein romantisches Autorenhirn in Szene: Wir liegen in einem lichtdurchfluteten Raum auf einem zerwühlten Bett, ich spiele mit seinen muskulösen Fingern, sein verliebter Blick ruht auf meinem Gesicht (...) Okay, dachte ich mir – der Teil an mir funktioniert offenbar nach wie vor prima und trollte mich.
Nun ja aber wie gesagt begegne ich jener gutangezogenen, wie es scheint gebildeten Person fast jeden Tag. Ich erwische mich also nahezu täglich dabei, dass ich unbewusst meine Amateurverführungskünste spielen lasse.
Wie wenig ich doch meinen Körper, meine Signale zu kontrollieren weiß. Seitdem ich mir - nach intensiver Recherche für ein Buch - über die Abläufe des menschlichen Flirtverhaltens klar bin, merke ich aber wenigstens, was ich dabei so tue. Ich gebe mein Bestes in seiner Gegenwart immer besonders witzig, selbstbewusst und gewandt rüberzukommen. Mühe mich etwas mehr als nötig, ihm eine Hilfe zu sein, ohne mich aufzudrängen. Versuche ihn mit meinem gesunden Appetit zu beeindrucken. Trumpfe mit findigen Wortspielen auf. Gebe mich so stark und klug, wie ich sein will.
Nachdem ich massig theoretisches Wissen über das Verhalten geschlechtsreifer Großstädter während der Paarungszeit* gelernt hatte, weiß ich, dass ich da wohl eher männliches Gehabe von mir gebe. Kein Wunder, denke ich im Nachhinein, zog ich bisher immer charakterlich schwächere Männchen an!
Meine Freundin K teilte mir passend zum Thema jüngst in ihrer freimütigen Art mit: »Ich verbringe so gerne Zeit mit dir zusammen, denn ich suche immer nach Menschen, die stärker sind als ich. Bei dir weiß ich, ich kann mich richtig fallen lassen!«
»Ach K«, sagte ich, »K, ich würde mich auch gerne mal fallenlassen, mit jemandem zusammen sein, der stärker ist als ich.«
»Na dann viel Glück, beim Suchen!«, entgegnete K freundlich.
Zum Glück aber hat mein Autorenhirn auch andere Superkräfte inne. Realitäten anerkennen z.B. Es half mir dabei, jenen schlanken, bassstimmigen Mann zu entzaubern und ihn als das anzuerkennen, was er ist: Niemand, der fähig wäre, meine weltfremde Schwebeblase platzen zu lassen. Und so kehre ich bald unbescholten dorthin zurück, bereit der Welt noch mehr Bücherkinder zu schenken und noch mehr zu erstarken. Das Schicksal des Herzblut-Autoren, Romantischstes und Edelstes von allen!
*Das bot sich gerade an, den Film hab ich nie gesehen.