Pro forma: Erben darf jeder. Aber durfte eine Frau im Jahre 1912 auch über ihr Erbe verfügen, wenn es sich in den Dimensionen eines Großunternehmens bewegte?
So begann mein harter Weg, Dokumente zu finden, auf die ich mich stützen konnte. Frauen durften damals nicht einmal ohne Mann ein Konto eröffnen. Gebaren sie ein uneheliches Kind, konnte sich der
Vater allein über die sogenannte Mehrverkehrseinrede vor den Unterhaltszahlungen drücken. Und doch gab es wie zu jeder Zeit ausgefuchste Geschöpfe, die aus den gängigen Regeln das Beste machten,
sich durchbissen und dann doch völlig selbstverständlich Unternehmen leiteten, Konten besaßen, Kinder bekamen, ob nun mit Vater oder ohne.
Ich wälzte Gesetzestexte, bis mir der Schädel rauchte, die Verzweiflung mich zermarterte und Depression wieder zurück in mein Herz kroch, um Minderwertigkeitskomplexe zu pflanzen.
Dann tat ich, was mir im Studium geraten wurde: Frag jemanden, der es weiß!
Innerhalb eines Tages telefonierte ich wegen dieses Anliegens mit dem Justizministerium; Abteilung Erbrecht, die mich an das Geheime Preußische Archiv verwiesen, von wo aus ich über das dem
Landesarchiv Berlin zum Helene-Lange-Archiv gelangte und dort bei der Leiterin höchst selbst rauskam. Die Dame stellte schließlich einen Kontakt zu einer Koryphäe auf dem Gebiet Preußisches
Frauenrecht her, die mir liebevoll ihre Hilfe versprach. Sodann fiel ein Gewicht von meinem Herzen, von dem ich schon befürchtet hatte, als würde mich auf ewig hinunterziehen.
Zudem wurde ich einmal mehr in meinem Vertrauen auf die Menschlichkeit bestärkt. Und waren Geduld und Liebe, nicht das was zu lernen, ich mir vorgenommen habe?
Ich fand also letzten Endes heraus, dass Alvine von ihrem Vater zur geschäftsführenden Gesellschafterin berufen werden konnte, aber nicht als Erbe, sondern über einen Gesellschaftervertrag.
Diesem mussten die übrigen Teilhaber zustimmen.
Sie konnte demnach über die Firma verfügen, frei schalten und walten. Aber: Ihr Mann hätte ihr all das auch verbieten dürfen. Er hätte aus einer Laune heraus sagen dürfen: »So meine Süße, geh du
mal schön in deine Küche, ich übernehm den Laden jetzt!« Dann hätte er das gesamte Guthaben verspielen, versaufen, verspekulieren können, wie es ihm gepasst hätte!
Zum Glück hatte sie kein Arschloch geheiratet!